Auf Trüffelsuche im Niederamt: «Auch ein mutiger Chihuahua kann Trüffel finden»
Die Verhaltensbiologin Sibylle Aschwanden sucht mit ihren Hunden Chai und Bailey nach schwarzen Burgundertrüffel. Sie bildet auch andere Hundehalterinnen und -halter für die Suche aus – bei einem Kursbesuch kommen knapp 220 Gramm der Knollen zusammen.

An einem Donnerstagmorgen auf einer Juraanhöhe hängt dichter Nebel in den Hügeln und der Raureif bedeckt Zweige und Blätter. Es liegt Spannung in der Luft: Sechs Hunde ziehen an den Leinen ihrer Besitzer und wedeln mit den Schwänzen. Sie wollen unbedingt los und im Wald die begehrten Trüffel finden. Dann setzt sich die Gruppe aus Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trüffelsuchkurses in Bewegung.
Bereits nach einem kurzen Gehweg reagiert die erfahrene Trüffel-Suchhündin Chai der Kursleiterin Sibylle Aschwanden, sie buddelt im Waldboden. Ein rund zwei Zentimeter grosser Burgundertrüffel legt der Border Collie-Mix frei.
Seit zehn Jahren sucht Aschwanden mit Chai in der Umgebung von Rohr nach den verborgenen Knollen, seit neun Jahren bietet sie dafür auch Kurse an und zeigt dabei anderen Hundehalterinnen- und Haltern, wie deren Tiere ebenfalls auf die Trüffelsuche gehen können. Denn nicht nur der Lagotto Romagnolo eignet sich für die Suche. Grundsätzlich könne jede Hunderasse die heimischen, Schwarzen Burgundertrüffel aufspüren. Aschwanden sagt:
«Auch ein mutiger Chihuahua kann Trüffel finden. Das hatten wir auch schon.»
Ihre zehnjährige Hündin Chai ist bereits eine sehr erfahrene Sucherin. Dies merkt man auch daran, dass sie sehr konzentriert schnüffelt. Auf ein Suchsignal, ein kurzes «go!», beschnuppert sie den Waldboden und beginnt bald darauf an einer Stelle zu graben. Ein Wort genügt und die Hündin stoppt, sodass Aschwanden nur noch den Trüffel aus dem Loch heben muss. Wenn man nicht schnell genug sei, würden weniger trainierte Hunde laut Aschwanden die Trüffel sofort fressen.

Ebenfalls am Kurs dabei ist ihr zweiter Hund Bailey. Der acht Monate alte Nova Scotia Duck Tolling Retriever sei aber noch «ein Lehrling», wie ihn Aschwanden liebevoll bezeichnet. Der Rüde ist bei der Suche deutlich nervöser. Er versucht auch hin und wieder, nach einem Trüffel zu schnappen. Dabei könne es auch zu Konflikten zwischen den beiden Hunden kommen.
Obwohl die Hunde die Arbeit übernehmen, wie Aschwanden sagt, ist die Beziehung zwischen Mensch und Tier besonders wichtig. Ein gutes Team sei die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Trüffelsuche.
Seit zehn Jahren im Niederamt auf Trüffelsuche
Vor zehn Jahren habe Aschwanden eine Bekannte zu sich eingeladen. Da diese etwas zu früh da war, ging sie in der Umgebung mit ihrem Trüffelsuchhund spazieren. Als sie wieder zurückkam, hatte sie einige Trüffel gefunden. Das brachte die Kursleiterin und Trainingsexpertin auf die Idee, ihre damals einjährige Chai ebenfalls auf die Trüffelsuche abzurichten. Bereits ein Jahr später bot Aschwanden an ihrer Hundeschule Focus-Canis bereits erste Kurse für andere Interessierte an.
Für sie sei es ziemlich einfach gewesen, den Hund auf die Trüffelsuche abzurichten. Denn die diplomierte Verhaltensbiologin kennt sich mit der Konditionierung auf verschiedene Gerüche bestens aus. Aber es gehöre auch ein «bitzeli» Glück dazu, so die Kursleiterin.
Heute würden die Hunde dies aus Spass machen. «Das Buddeln ist selbstbelohnend.» Zu Beginn werde viel mit Belohnungen gearbeitet, aber nach einer gewissen Zeit sei die Suche an sich schon eine Belohnung. Doch das Aufspüren der Trüffel dürfe nur auf ein Suchsignal geschehen, erklärt Aschwanden. Daran müsse beim jungen Bailey noch etwas gearbeitet werden.
Bei Chai funktioniert dies bereits sehr gut. Ausserdem lasse sie sich kaum mehr ablenken. Früher sei sie im Wald gerne den Wildtieren hinterhergerannt. Später, bei einer Trüffelsuche, habe jedoch einmal ein Reh den Weg von Aschwanden und ihrer Hündin gekreuzt. Chai habe das Reh angeschaut und dann ihr Frauchen. Als diese nur mit den Schultern zuckte, habe Chai einfach mit der Suche weitergemacht.
Ein Trüffelsuchkurs für Fortgeschrittene
Die fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trüffelsuchkurses haben bereits einen halbtägigen Grundkurs absolviert. Dabei lernten sie einiges über die begehrten Knollen und das Training mit ihren Suchhunden. Zuhause versteckten die Kursteilnehmenden Trüffel und liessen ihre Hunde danach suchen. An diesem Donnerstagmorgen findet nun der Fortgeschrittenenkurs statt. Dabei wird die Suche im Feld zusammen mit der Kursleiterin unter Realbedingungen geübt.
Die vier Hunde der Teilnehmenden sollen alle an den von Chai aufgespürten Trüffelfundorten riechen. Den Geruch generalisieren nenne man dies, den Duft so wahrzunehmen, wie er im Wald ist und nicht in einem Glas oder zuvor von einem Menschen deponiert. Aschwanden erklärt:
«Der Hund soll nicht nur kapieren, wo die Trüffel sind, sondern auch, dass der Mensch den Trüffel will.»
Die Anzahl der Burgundertrüffel auf der Juraanhöhe in der Nähe von Rohr überrascht. Als einige Kursbesucherinnen und Besucher ein wenig ausschwärmen, hört man aus den Wäldchen immer wieder ein «Toll gemacht», ein Zeichen dafür, dass erneut ein Hund fündig geworden ist. Aschwanden sagt:
«Ich habe keinen einzigen Trüffel versteckt. Die sind alle von selbst hier gewachsen.»
Im Schweizer Mittelland und im Jurabogen lassen sich überall schwarze Burgundertrüffel auffinden. Vor allem unter Buchen und Haseln fühlen sich die Knollen wohl. Im Wurzelgebiet können sich die Trüffel bis maximal zehn Zentimeter unter der Oberfläche befinden. Ausserdem sei der kalkhaltige Juraboden förderlich, erklärt Aschwanden. Auch Nebel, beziehungsweise Feuchtigkeit, mögen die Knollen. Lediglich das viele Laub in der Sammelsaison von September bis Januar erschwere die Suche. Dadurch sei der Geruch quasi hermetisch abgeriegelt und schwieriger wahrzunehmen, erklärt Aschwanden.
Insgesamt 220 Gramm Trüffel erschnüffelt
Für das Ausgraben gäbe es teure Geräte auf dem Markt, aber auch ein Löffel oder Spachtel eigne sich bestens. Dennoch ist Vorsicht geboten: Die Knollen haben eine Konsistenz vergleichbar mit Parmesan. Sie zerbrechen, wenn man sie nicht vorsichtig ausgräbt.

Rund 220 Gramm Trüffel sammelt die Gruppe an diesem Tag innert zwei Stunden. Die Ausbeute wird unter den Kursteilnehmenden verteilt. Natürlich stehe es ihnen frei, die Trüffel für das weitere Training oder in der Küche zu verwenden. Der Mann von Sibylle Aschwanden ist ein grosser Fan von Trüffelgerichten. Sie selbst wünsche sich die Knollen aber nicht täglich auf dem Tisch.
–Ursprünglich publiziert im Oltner Tagblatt vom 4. Dezember 2021










