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Die Reise eines ausrangierten Laptops: Was mit alten Elektrogeräten in Olten und im Niederamt passiert

Rund 15 Kilogramm Elektroschrott wird jährlich in der Schweiz pro Kopf produziert. Doch wie funktioniert das Recycling von Elektroabfall in der Schweiz? Wir besuchen zwei Stationen des Verwertungskreislaufs und fragen beim Experten nach.

Bilder: Bruno Kissling

Der Bildschirm flackert, Updates können nicht mehr installiert werden und der Akku hält auch nicht mehr lange: Es wird langsam Zeit für einen neuen Laptop. Doch wie soll denn der jahrelange Begleiter korrekt entsorgt werden? Und vor allem wo landet dieser anschliessend?

Knapp 15 Kilogramm Elektroschrott produziert jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Schweiz laut Bundesamt für Umwelt pro Jahr. Das entspricht rund achtmal dem Gewicht unseres Laptops. Swiss Recycling schätzt, dass rund 95 Prozent der Elektro- und Elektronikgeräte fachgerecht entsorgt werden. Doch einige Geräte verstauben, quasi als Backup, auf dem Estrich oder werden achtlos in den Hausabfall geworfen.

Die ausrangierten Geräte stecken noch voller Wertstoffe. In einem Laptop steckt rund ein Viertel Gramm Gold. Aus einer Tonne Golderz lassen sich hingegen nur ein bis fünf Gramm gewinnen. Zusätzlich befinden sich in den Elektrogeräten noch viele weitere Seltene Erden.

Es gibt rund 6000 Orte in der Schweiz, wo unser alter Laptop entsorgt werden kann. Beispielsweise bei Sammelstellen von privaten Betrieben und Gemeinden sowie bei regionalen Entsorgungszentren. Einige Gemeinden führen aber auch spezielle Sammeltage durch. Ausserdem sind Händler, die Elektrogeräte der gleichen Art anbieten, verpflichtet, ausrangierte Geräte kostenfrei anzunehmen.

1. Station: Das Entsorgungszentrum

Im Trimbacher Schweissacker herrscht reger Verkehr. Im Fünfminutentakt fahren Autos, voll beladen mit allerlei Hausrat, in die Halle des Recycling-Centers Trimbach. Rund 70 Tonnen Elektro- und Elektronikschrott sammelt die Rippstein Transport AG pro Jahr, darunter auch unseren Laptop. Aus einer Kiste schaut eine Popcorn-Maschine. Andreas Mistele, der Geschäftsführer, sagt:

«Rund die Hälfte der abgegebenen Geräte funktioniert wahrscheinlich noch.»

Doch vom Elektroschrott dürfe nichts gerettet werden. Was im Recycling-Center landet, verlässt dieses nur auf dem Weg zum Recycler. Als Vertragspartner der Recyclingsysteme Swico und Sens eRecycling seien sie dazu verpflichtet, so Mistele. Die Feuerwehr habe auch schon angefragt, ob sie Geräte für eine Kleinbrandübung verwenden dürften.

Swico hat damals zwar zugestimmt, aber nur unter der Bedingung, dass das Gerät wieder im Recycling-Center und somit im System landet.

Es wurden auch schon interessante Geräte abgegeben, erzählt Mistele. Einmal sei eine Waschmaschine angekommen, die bestimmt schon 100 Jahre alt war. Auch eine Dampfmaschine habe seinen Weg irrtümlich in den Elektroschrott gefunden.

Elektroschrott boomt durch Corona

Während der Pandemie seien fast doppelt so viele Geräte abgegeben worden, sagt der Geschäftsführer. Viele Leute hätten zuhause ausgemistet oder aufgrund des Homeoffices neue Geräte angeschafft. Ansonsten bleibe die Menge abgegebenen Elektroschrotts ziemlich stabil.

Neben den Elektrogeräten sammelt der Recyclinghof jeden Abfall, der im Haushalt vorkommt, von Altpapier bis Pfannen. Auch dabei wurde während der Pandemie eine Zunahme festgestellt. In der Halle lagern viele Rohstoffe, die aktuell begehrt sind. Probleme mit Diebstählen hat es laut Mistele noch nie gegeben. Sobald ein Lastwagen gefüllt werden kann, wird eine Ladung abgeschickt. So sollen die Logistikkapazitäten voll genutzt werden.

Es kann aber auch zu Platzproblemen kommen. Beispielsweise werden viele Altlasten gebracht, die nicht im Einflussbereich der Swico oder Sens eRecycling liegen und deshalb weiter verwendet werden dürfen. Man habe sich dabei schon überlegt, eine Ecke einzurichten, wo solche Dinge angeboten werden. Doch Ressourcen und Platz dafür fehlen, erklärt Mistele.

Ein bis zwei Mal im Monat ist der Lastwagen voll

Unser Laptop sowie alles andere mit Kabel oder Batterie kann beim Recycling-Center kostenlos abgegeben werden; egal wie viele Fremdstoffe es noch enthält. So gehört beispielsweise auch ein sprechendes Stofftier in den Elektroschrott.

Die Rippstein AG erhält dann als Swico- und Sens-Vertragspartner eine Entschädigung für den Aufwand und die Logistik. Kontrollen vonseiten Swico und Sens eRecycling, ob Geräte aus dem Kreislauf entfernt werden, gebe es keine, so Mistele. Das Ganze funktioniere auf Vertrauensbasis.

Für den Vertrag müssen aber einiger Aufwand betrieben und viele Anforderungen erfüllt werden. Deshalb liege es im Interesse der Firmen, nicht gegen die Auflagen zu verstossen. Doch das grosse Geschäft mache man damit nicht. Es gehöre einfach dazu, auch Elektroschrott anzunehmen als Entsorgungszentrum, so Mistele.

Ein bis zwei Mal im Monat verlässt schliesslich ein Lastwagen, gefüllt mit Elektro- und Elektronikabfall, das Gelände. Sicher in Rahmenpaletten verstaut, macht sich auch unser Laptop mit anderen ausrangierten Geräten auf eine sehr kurze Reise.

2. Station: Der Recycler

Nach einer rund zweiminütigen Fahrt über die Aare landet der Laptop bereits beim Recycler in Olten. Der gelernte Recyclist Claudio Ryf gewährt einen Einblick hinter die Kulissen und führt durch das Kompetenzzentrum für Elektro- und Elektronikschrott der Altola AG.

Leuchtweste, Helm, Schutzbrille und Schutzschuhe seien hier Pflicht, sagt er. Fast alle gesammelten elektrischen und elektronischen Geräte aus den regionalen Sammelstellen landen im Oltner Industriequartier.

In einer grossen Halle, wo früher die Berna Lastwagen produzierte, werden allerlei Elektro- und Elektronikgeräte für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Es riecht metallisch und ein Hubstapler wuselt umher.

Beschäftigte der Bildungswerkstätte Oltech schneiden an einem Fliessband die Kabel von elektrischen Kleingeräten ab und bauen Akkus, Kondensatoren oder Transformatoren aus.

Auf dem Band liegt ein Waffeleisen, daneben ein elektrisches Kinderauto. Hier werden die Gehäuse von Wertstoffen getrennt; komplett in Handarbeit, erklärt Ryf.

«Eine Maschine merkt halt nicht, wann man aufhören muss, mit dem Hammer zuzuschlagen.»

So könnten sich beispielsweise die Lithiumakkus von Tablets bei unvorsichtiger Behandlung wegen Kurzschlüssen entzünden. Deshalb werden Geräte mit fest eingebautem Akku getrennt zerlegt. Die Stromspeicher werden sorgfältig entfernt und in spezielle Fässer gelegt. Eine Wärmebildkamera überwacht dabei die Zerlegungshalle. Falls es irgendwo zu heiss wird, erhält Ryf einen Alarm auf sein Handy.

Auf dem Markt Mangelware, hier haufenweise vorhanden

Doch zurück zu unserem Laptop: In einem Hinterzimmer wird dieser schliesslich in seine Bestandteile zerlegt. Die Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik werde separat behandelt, erklärt Ryf.

Im Raum gibt es verschiedene Arbeitsplätze ausgerüstet mit Tisch, Stuhl und jede Menge Werkzeug. Dazwischen stehen Rahmenpaletten mit ganzen PCs und Laptops aber auch bereits ausgebauten Einzelteilen. Auch hier geschieht alles in Handarbeit.

Gleich beim Eingang stehen Rahmenpaletten, von denen Technologiehersteller momentan nur träumen können. Sie sind mit tausenden Leiterplatten gefüllt, in drei Kategorien sortiert – von gut bis schlecht beziehungsweise von billig bis teuer. Die Platten der besten Qualität weisen Gold auf. Was auf dem Markt Mangelware ist, sei hier haufenweise vorhanden, so Ryf.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter schrauben oder brechen die PCs und Laptops auseinander. Anschliessend werden die Materialien wie Aluminium, Stahl, und Plastik sortiert. Laufwerke, Prozessoren, Leiter- und Festplatten werden gesondert in Boxen gesammelt. Die Akkus landen erneut im Spezialgefäss.

Im Nebenraum werden Bildschirme und TV-Geräte zerlegt. Dabei fällt bei älteren Geräten noch zusätzlich die quecksilberhaltige Hintergrundbeleuchtung an, welche speziell entsorgt werden muss. Die neuen LED-Bildschirme würden hingegen kein Quecksilber mehr enthalten, erklärt der Recyclist.

3000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr in Olten recycelt

Es kämen auch Geräte an, die einwandfrei funktionierten, teilweise sogar unbenutzt seien. Ryf falle es schwer, ein intaktes Gerät zu zerstören. Doch sie dürfen keine Geräte entfernen oder weiter benutzen. Die Kontrollen seien da sehr streng. Obwohl die Firma viele Rohstoffe generiert, sei es auch hier noch nie zu Diebstählen gekommen. Ryf sagt:

«Das beweist, dass wir an einem guten Ort sind und sehr gute Leute haben.»

Rund 3000 Tonnen Elektroschrott recycelt die Altola hier pro Jahr. Je nach Rohstoffpreis erhält sie dafür Geld – und zwar im umgekehrten Verhältnis; je tiefer der Rohstoffpreis, desto höher der Lohn für das Recyceln.

Bezahlt wird der Prozess von den Recyclingsystemen Swico und Sens eRecycling. Durch sie wird Recycling rentabel. Denn die Rückgewinnung der Sekundärrohstoffe lohnt sich aus finanzieller Sicht nicht; dafür umso mehr aus ökologischer Sicht.

Das Geld für das Recyclingsystem der Sens eRecycling und Swico stammt aus der vorgezogenen Recyclinggebühr. Diese wird bei jedem Kauf eines Elektrogeräts von Kundinnen und Kunden automatisch mitbezahlt. Denn alleine durch den Verkauf der Sekundärrohstoffe würde sich die Arbeit und aufwendige Logistik der Altola AG nicht lohnen.

Aus rund drei Viertel der Bestandteile von elektrischen und elektronischen Geräten können Sekundärrohstoffe hergestellt werden. Auch unser Laptop wird das Gelände nicht mehr in einem Stück verlassen. Aus ihm werden grossteils Sekundärrohstoffe. Dabei verwischt seine Spur. Die Einzelteile werden verladen und reisen an verschiedene Orte.

3. Station(en): Die Spur löst sich auf

Bestandteile, die Edelmetalle enthalten, werden direkt zu Schmelzwerken in Deutschland oder Schweden transportiert. Dort werden die Seltenen Erden wie Gold, Silber oder Palladium aus den Leiterplatten und Prozessoren geholt, erklärt die Altola AG auf Anfrage. Auch Stahl oder Aluminiumteile landen bei einem Schmelzer.

Nicht belastete Kunststoffe werden bei der InnoRecycling AG im Thurgau zu Kunststoffgranulaten. Diese können dann erneut für die Herstellung von Plastikteilen verwendet werden. Belastete Kunststoffe hingegen wie etwa Kabelisolierungen mit Flammhemmer würden in die Verbrennung gehen.

So könnte der Grossteil unseres Laptops bald zu einem neuen werden. Und beim Kauf eines neuen Geräts wird die vorgezogene Recyclinggebühr automatisch mitbezahlt, wodurch sich schliesslich das unrentable Recyclinggeschäft überhaupt erst finanziell lohnt.


-Ursprünglich publiziert im Oltner Tagblatt vom 7. Mai 2022.

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