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Von den Anden in die Alpen: Wie dieser Musiker aus Ecuador in der Schweiz Fuss fasste

Seit rund acht Jahren lebt Cesar Lahuatte nun in Langenthal. In seinem Studio erzählt er, welche Zufälle ihn zu seinem neuen Leben in der Schweiz führten, welchen Schwierigkeiten er dabei trotzte und woher seine Leidenschaft für Musik kommt.

Der gebürtige Ecuadorianer Cesar Lahuatte lebt bereits seit acht Jahren in Langenthal. (Bilder: Felix Ott)

An einer grünen Haustüre im Langenthaler Haldeli wird man vom strahlenden Cesar Lahuatte begrüsst. Der Ecuadorianer gwährt an einem Freitagnachmittag stolz einen Einblick in sein Kellerstudio. Gitarren, Bässe, Trompeten, Posaune, Klavier, Schlagzeug und weitere Percussion-Instrumente stapeln sich in einem kleinen Raum neben Verstärkern und Monitoren. An der Wand hängt eine Ukulele. Auf die Frage hin wie viele Instrumente der Musiker denn spielen könne, antwortet er mit einem Zwinkern: „alle – fast.“

Seit acht Jahren lebt der gebürtige Ecuadorianer nun in der Schweiz. Die Gründe dafür: die grosse Liebe und eine Reihe an Zufällen. Sein breites Netzwerk sowie starker Optimismus verhalfen ihm schliesslich zu einem Leben, bei dem es ihm an nichts fehlt.

Aktuell beendet der 33-Jährige gerade sein Masterstudium, arbeitet als Musiklehrer in der Schulanlage Kreuzfeld und bald auch an der Schule in Niederbipp. Zudem spielt er in vier Bands. Nebenbei arrangiert das Multitalent eigene Songs und nimmt diese in seinem Kellerstudio auf.

Bild und Schnitt: Felix Ott

Die Musik liegt Cesar im Blut

In Ecuador hat die Musik generell einen hohen Stellenwert. So auch in der Familie Lahuatte. Seine Grosseltern spielten bei jeder Gelegenheit Gitarre und auch seine Eltern liebten die Musik, wie Cesar erzählt. Doch die treibende Kraft der Musikleidenschaft war sein Onkel. Er war ebenfalls Berufsmusiker und spielte Saxofon in verschiedenen Volksmusiken.

So kam es auch, dass Lahuatte bereits mit sechs Jahren anfing zu musizieren. Mit einem Spielzeugsaxofon aus Plastik begleitete er damals seinen Onkel. Der heutige Musiklehrer witzelt:

„Natürlich habe ich damals noch keinen Ton getroffen.“

In Uyumbicho, einem kleinen Vorort von Quito, wurde so der Grundstein für seine musikalische Karriere gelegt.

Bald wurde die Trompete das Instrument seiner Wahl. Auch heute sei sie sein Hauptinstrument, betont Cesar.

Er spielte von da an in verschiedenen Volksmusiken, sogenannten Bandas de Pueblo. Diese machen vorwiegend die traditionelle ecuadorianische Musik, die sich folgendermassen anhört:

Sein Lieblingsinstrument wurde ihm verwehrt

Mit neun Jahren besuchte er schliesslich das Konservatorium. Nach drei Jahren Musikunterricht hatte bereits er das erste Diplom in der Tasche. Dieses bestätigte offiziell, dass er die Trompete beherrschte – ein Türöffner für die nächste Musikschule in Ecuadors Hauptstadt Quito.

An der Schule Brass Band del Ecuador wurde ihm aber sein Lieblingsinstrument verwehrt. Der Direktor sagte, dass er zu alt für eine professionelle Trompetenausbildung sei. Es hatte laut Cesar bereits genug jüngere Schüler auf dem Instrument, die bereits einiges weiter gewesen seien.

Deshalb spielte er von da an das Baritonhorn. Aber auch die Tuba und das Euphonium lernte er an der renommierten Schule.

Glücklicherweise seien fast alle Blechblasinstrumente ähnlich zu bedienen, so der Musiker. Nebenbei spielte er, mehr oder weniger heimlich, weiterhin die Trompete in den Bandas de Pueblo – Denn dies missfiel der Schulleitung.

Der Leiter der Brass Band del Ecuador hätte ihm damals gesagt, wenn er sich nicht vollkommen auf ein Instrument fokussiere, werde es schwierig mit einer Musikerkarriere. Schliesslich seien die Mundansätze von Trompete und Bariton doch unterschiedlich, erklärt Cesar.

Die Musikschule in der finanziellen Krise

Bald begann er trotzdem, an ebendieser Musikschule, jüngere Schülerinnen und Schüler auf der Trompete zu unterrichten.

Doch die Brass Band del Ecuador befand sich finanziell in einer schwierigen Lage. Teilweise wurden die Löhne der Musiklehrerinnen und -Lehrer nicht mehr bezahlt, erzählt Lahuatte. Doch er konnte sich dank der Unterstützung seiner Eltern durchschlagen und startete nebenbei zusätzlich ein Studium zum Tontechniker.

Die klassisch orientierte Brass Band del Ecuador organisierte Konzerte auf der ganzen Welt. Er spielte dadurch in Südamerika, Nordamerika und auch Europa. So konnte Cesar bereits früh verschiedene Kulturen ausserhalb Ecuadors kennenlernen.

Zudem kamen immer wieder Freiwillige, sogenannte Voluntarios, nach Quito, um an der Schule zu unterrichten – darunter auch einige aus der Schweiz. So kam es, dass einige dieser Freiwilligen sein Leben komplett veränderte.

Die grosse Liebe vom anderen Ende der Welt

Melinda Huemer arbeitete für fünf Monate zusammen mit Lahuatte im Sekretariat der Brass Band del Ecuador. Nebenbei unterrichtete sie Querflöte und Englisch. Er war in dieser Zeit für die Voluntarios zuständig und verbrachte daher viel Zeit mit der jungen Langenthalerin.

Als Cesar zufällig gleichzeitig mit Melinda Ferien hatte, fragte der Leiter der Musikschule, ob er nicht etwas mit ihr unternehmen wolle. Da er Zeit hatte, stimmte er zu. Er erinnert sich:

„Wir sind viel herumgereist. Dann kamen wir uns näher. Der Schulleiter hat uns quasi verkuppelt.“

Von da an standen die beiden in Kontakt – auch als Melinda wieder in die Schweiz reiste. Nach kurzer Zeit fragte sie, ob er nicht auch einmal in die Schweiz kommen wolle.

Den Schritt über den Atlantik wagen

Doch die finanzielle Lage des jungen Ecuadorianers war schwierig und eine Reise über den Atlantik schien zu kostspielig. Da bot die junge Schweizerin an Cesar einzuladen.

Das Visum aber bereitete weitere Schwierigkeiten. Als Musiker konnte er keine feste Arbeitsstelle nachweisen. Melindas Mutter schrieb daraufhin einen Brief an die Botschaft und bürgte für ihn.

Schliesslich konnten sie drei Monate zusammen in der Schweiz verbringen und unternahmen viele klassische Touristenaktivitäten, wie Cesar erzählt. Melinda hatte darauf lange gespart und zeigte ihm die Sehenswürdigkeiten Mitteleuropas.

Die Schweiz habe ihm auf den ersten Blick sehr gut gefallen. Er konnte sich bereits vorstellen, hier zu leben. Doch die Preise sowie die fremde Kultur bereiteten ihm Sorgen.

Wieder in Ecuador diskutierte er viel mit seinen Eltern über das Auswandern. Schliesslich hatten diese viel in die Ausbildung des Musikers investiert. Doch er wagte schliesslich den Schritt und begann in Langenthal ein neues Leben. Bald darauf folgte die Hochzeit mit Melinda Huemer.

Bereits zu Beginn seiner Zeit in der Schweiz besuchte der damals 27-Jährige einen Deutschkurs, meldete sich bei einem Fussballverein in Bützberg an und spielte in der lokalen Band Salsa Loca. In dieser Band begegnete er auch einem Bekannten aus Ecuador.

Finanzielle Lage war belastend

Die Arbeitssuche gestaltete sich anfangs schwierig für den Ecuadorianer. Zu Beginn blieben alle Türen für ihn verschlossen, obwohl er in Ecuador Tontechnik studierte, erzählt er. Sein Diplom wird in der Schweiz aber nicht akzeptiert. Er schrieb unzählige Bewerbungen. Er sagt:

In Ecuador bringt immer noch der Mann das Geld nachhause. Am Anfang war es schlimm für mich nichts zu verdienen.

Dann vermittelte ihm der Leiter der Musikschule Langenthal, Rainer Walker, seine erste Arbeitsstelle in der Schweiz. Dieser besuchte Jahre zuvor ebenfalls das Südamerikanische Land und lernte Cesar dort kennen. In der Schweiz haben sie wieder miteinander Kontakt aufgenommen. Cesar erledigte daraufhin verschiedene logistische Arbeiten an der Oberaargauischen Musikschule in Langenthal. Zudem konnte er beim Klangwerk Mittelland Musikuntericht geben. Heute sagt er:

Mir ist ein grosser Stein vom Herzen gefallen. Von da an konnte ich selbst ein paar Rechnungen bezahlen.

Später fragte ein Bandkollege, Christoph Weber, der Musiklehrer im Schulzentrum Kreuzfeld war, ob er nicht eine Vertretung für ihn übernehmen könne. Ohne zu zögern, sagte er zu und unterrichtete für drei Monate rund zehn Schulklassen.

Cesar als Musiklehrer und bald auch Vater

Die Vertretung im Schulzentrum Kreuzfeld gefiel ihm so gut, dass er sich entschied, künftig Lehrer zu werden. Nach der Pension des ehemaligen Musiklehrers konnte der gebürtige Ecuadorianer, der inzwischen die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt, die Stelle tatsächlich übernehmen.

Ein weiterer Musiker, der in der Schweiz lebt, unterstützte ihn schliesslich bei der Bewerbung für die Zürcher Hochschule der Künste, wo er den Master in Schulmusik machte. Dieses Jahr schloss Cesar die Ausbildung ab. Nach den Sommerferien wird er nun neben der Stelle in Langenthal auch in Niederbipp Schulklassen unterrichten.

Zudem spielt er aktuell in vier Bands. Die wohl erfolgreichste davon Los Vacios de Charly tourt aktuell mit ihrem neuen Album zum zehnjährigen Jubiläum durch die Schweiz:

Beim Start des Studiums habe Cesar die Familienplanung zurückgestellt. Doch pünktlich auf seinen Abschluss wurde seine Frau schwanger. Im kommenden Winter wird es also bei dem musikalischen Paar im Langenthaler Haldeli Nachwuchs geben.


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