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Der Occasionsmarkt trocknet aus: Lange Lieferzeiten bei Neuwagen treiben die Preise von Gebrauchtwagen in die Höhe

Zwischen Grenchen und Solothurn reihen sich die Autohändler aneinander. Und diese haben ein begehrtes Produkt: Denn die Nachfrage nach Gebrauchtwagen übersteigt das Angebot. Ein gutes Geschäft ist das dennoch nicht für alle Händler. 

Occasionsautos werden immer teurer. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. (Bild: Pius Amrein)

Wer ein neues Auto kaufen will, hat es zurzeit schwer. Bei Neuwagen sind die Wartezeiten extrem lang. Grund dafür ist vor allem der Rohstoffmangel. Teilweise beträgt die Wartezeit für einen Neuwagen ein halbes Jahr oder gar noch mehr.

Dies hat deutliche Auswirkungen auf den Occasionsmarkt. Wer im Notfall schnell ein neues Auto braucht, kann nicht auf einen Neuwagen warten und kauft deshalb einen Gebrauchten. Doch das Angebot ist abgeerntet, und die Preise steigen kontinuierlich.

Zwischen Grenchen und Solothurn tummeln sich die Autohändler. Auf der rund 15-minütigen Fahrt kommt man an rund 20 Neu- und Gebrauchtwagenhändlern vorbei. Wir haben exemplarisch bei drei Garagen in der Region nachgefragt. Das Bild ist überall das gleiche: Der Occasionsmarkt trocknet aus.

In der Autogarage Kurt Fluri AG in Bellach stellt man einen Rückgang der Occasionen fest. (Bild: Felix Ott)

Kurt Fluri von der Autogarage Kurt Fluri AG in Bellach erklärt, die Nachfrage nach Gebrauchtwagen sei definitiv da. Doch es kämen kaum mehr gute Occasionen auf den Markt. Und wenn doch, seien die Preise mittlerweile so hoch, dass sich aus dem Weiterverkauf kein Profit mehr schlagen lasse. Fluri sagt:

«Wenn wir Occasionen ein- und weiterverkaufen, gibt es mittlerweile eine Nullrunde.»

Bei vielen Neuwagen seien die Wartezeiten sehr lang. Gewisse Modelle werden gar nicht erst gebaut. Rohstoffmangel und Inflation verzögern die Lieferketten stark.

Viele Autofahrerinnen und Autofahrer würden derzeit mit dem Kauf eines neuen Autos eher zuwarten und ihr jetziges Fahrzeug reparieren lassen, falls ein Defekt vorliege, erklärt Fluri.

Händler treiben Preise in die Höhe

Bei der Turben-Garage AG in Bellach ist die Situation ähnlich.  Verkäufer Markus Fäh sagt, dass die Occasionen zurzeit zu teuer sind. Zwischenzeitlich hätten sie gar keine Occasionen mehr im Angebot gehabt. Nun seien sie wieder besser aufgestellt. 

Die Turben-Garage in Bellach ist Markenvertreter und Dorfgarage. (Bild: Felix Ott)

Verschiedene Autohändler würden die Preise unnötig weiter in die Höhe treiben. Schliesslich sei die Nachfrage da und das Angebot knapp. Preislich orientiert sich die Turben-Garage an den Vorgaben des Fahrzeugbewerters Eurotax. In letzter Zeit hat Fäh festgestellt, dass Occasionen die Preisempfehlung von Eurotax um mehr als 5000 Franken übersteigen. Diese Mehrkosten könnten nicht einfach auf die Kundinnen und Kunden abgewälzt werden. Fäh sagt:

«Wir sind ein Markenvertreter und eine Dorfgarage. Wir müssen zu unseren Kunden Sorge tragen.»

Zudem habe er festgestellt, dass mit dem hohen Benzinpreis die Nachfrage nach Elektroautos gestiegen sei. Davon gebe es aber zurzeit kaum Occasionen.

Auch die Ersatzteile werden teurer

Für Markus Meyer von der Ueberland-Garage M. Meyer GmbH wird es ebenfalls schwieriger, an Gebrauchtwagen zu kommen. Er sagt:

«Gute Occasionen kommen tropfenweise rein und sind dann schnell weg.»

Viele Kundinnen und Kunden würden zudem ihr altes Auto gegen ein neues eintauschen. Doch die älteren Fahrzeuge eignen sich oft nicht mehr zum Weiterverkauf. Dies dünne den Markt weiter aus, erklärt Meyer.

In der Ueberland-Garage M. Meyer in Selzach stellt man eine Preiserhöhung bei Ersatzteilen fest. (Bild: Felix Ott)

Zudem würden einige Händler nur noch direkt an Kundinnen und Kunden verkaufen. Schon oft habe er im Internet Verkäufer angetroffen, die nicht an eine Garage verkaufen möchten. Obwohl Meyer nicht verhandeln wollte und den geforderten Preis bezahlt hätte, wollten die Verkäufer keine der raren Occasionen abgeben. 

Doch nicht nur die Preise für Occasionen seien zurzeit überhöht, sondern der Rohstoffmangel mache sich auch bei den Ersatzteilen bemerkbar. Gewisse Steuerelemente werden gar nicht mehr geliefert. Hinzu kommen politische Konflikte: Viele Teile und Rohstoffe stammen aus der Ukraine oder aus Russland. 


-Ursprünglich publiziert in der Solothurner Zeitung vom 25. August 2022.

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