Vom Wald umarmt mit Blick auf die Alpen – wie lebt es sich in Balm bei Messen?
Balm bei Messen und Balm bei Günsberg: Das eine liegt geborgen am Südhang des Bucheggberges, das andere erstreckt sich erhaben über den Balmberg. Ein Besuch in zwei Dörfern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch einiges gemeinsam haben.
(Eine Geschichte zweier Balm – Teil 1/2)

Im Kanton Solothurn gibt es zwei Ortschaften mit dem Namen Balm: Balm bei Messen und Balm bei Günsberg. Beide haben einen Gasthof, eine Bushaltestelle und ein einzigartiges Wahrzeichen. Beide haben einen Balmberg, wenn auch einer etwas kleiner ist als der andere. Und beide erhalten relativ wenig Beachtung, doch beide haben Geschichten, die erzählt werden sollten.
An einem sonnigen Dienstagnachmittag kreisen die letzten Schwalben über dem Dorfeingang von Balm bei Messen. Es ist ruhig. Ab und zu fährt ein Auto oder ein Velo vorbei. Das Restaurant zum Löwen ist heute geschlossen: Mittwoch und Donnerstag ist Ruhetag, wie das Schild beim Eingang verrät. Darüber wurde behelfsmässig ein kleineres Schild geklebt, auf dem zusätzlich «Dienstag» steht.

Balm bei Messen ist ein ländlich geprägtes Dorf beziehungsweise seit 2010 ein Ortsteil der Gemeinde Messen. Im Gegensatz zu Balm bei Günsberg prägen hier Bauernhöfe, Spycher und Stöckli mit grossen, breiten Dächern das Dorfbild. An den meisten Fensterbänken blühen Geranien. In der Dorfmitte, wo die Strassen Sternförmig zusammenlaufen, befindet sich die einzige Bushaltestelle von Balm bei Messen. Hier ist das Epizentrum des Dorflebens, hier startet unsere Reise.
Ein Dorf mit Geschichte
Auf der anderen Seite der Hauptstrasse arbeitet eine Frau in einem grossen Garten. Sie pflückt gerade das Obst von den Bäumen. Freundlich werden wir zum Kaffee eingeladen und plaudern über das kleine Dorf im Limpachtal. Mösi Schluep erklärt:
«Früher hatten wir eine Feuerwehr, heute ist sie weg. Die Käserei – weg. Die Schule – weg. Es gibt noch unsere Wirtschaft, aber die hat immer weniger offen.»
Die Vereine im Ort seien aber immer noch aktiv. Vor allem der Schützenverein und die Landfrauen gestalten das kulturelle Leben in Balm. Beim jährlich stattfindenden Slow-up Solothurn-Buechibärg brauche es dann das ganze Dorf, erklärt Schluep, während eine junge Katze um unsere Beine schleicht.

In Balm scheint die Zeit stillzustehen. Viele Gebäude seien über 100 Jahre alt. Gebaut wird kaum. Die meisten Häuser stehen unter Heimat- oder Denkmalschutz und Bauland ist rar. Noch vor ein paar Jahren hatte jedes Haus seinen eigenen Brunnen. Heute ist die Wasserversorgung gemeinschaftlich organisiert.
Was muss man in Balm bei Messen unbedingt gesehen haben? «Natürlich die Hochzeitskirche», verrät Schluep. Früher fanden dort drei bis vier Hochzeiten pro Samstag statt. Vom Steilen Südhang des Bucheggberges aus sehe man über das Limpachtal bis hin zu den Alpen.
Wir fragen, ob man denn hier das andere Balm im Kanton kenne, jenes bei Günsberg. Schluep bestätigt: «Früher kamen oft Personen auf der Suche nach Balm ins falsche Balm.» Schlueps Schwester lacht und sagt, sie kenne das Problem. Sie wohne in Bibern, aber nicht in dem in Solothurn, sondern in Schaffhausen.
Zwischen Balmberg und Alpenpanorama
Ein paar Häuser weiter fragt eine Frau, was wir denn hier machen. Zwei Männer – einer mit Kamera, der andere mit Notizbuch –, die durch das Dorf flanieren, sind hier nicht alltäglich.

Stolz zeigt uns die Bewohnerin am Dorfrand ihren Biodiversitätsgarten. Hier lässt Ruth Moser seit vier Jahren alles wachsen. «Gepflegt-ungepflegt» lautet das Konzept.

Im nächsten Jahr werden die einzelnen Pflanzen dann noch beschriftet. Sie möchte ihren Enkelkindern das Wissen über Pflanzen weitergeben. Diese spielen gerade auf dem weitläufigen Gelände mit den ukrainischen Nachbarskindern. Moser sagt:
«Sie haben sich von Anfang an gut verstanden, auch wenn sie sich nicht verstanden haben.»
Sie fühle sich in Balm einfach geborgen. Der Bucheggberg schütze das Dorf. Gegenüber präsentiert sich bei gutem Wetter das Alpenpanorama. Sie mag die Natur. Trotzdem fühle es sich in Balm ein bisschen wie in einer Stadt an. Man könne auch für sich sein und müsse nicht alle kennen, sagt Moser.
Ein historisches Wahrzeichen verkörpert das Dorf
Zum Schluss mussten wir unbedingt das hochgelobte Balmkirchlein besuchen. Die Kirche wurde vor rund 800 Jahren in den steilen Südhang des Bucheggberges gebaut.

Östlich davon gibt es eine Flur mit dem Namen Balmberg, wie beim Namensvetter in Lebern. Beim Balmkirchlein gibt es eine Eigenheit, die einzigartig im Kanton Solothurn ist. Die grösste Glocke der kleinen Kirche hängt nämlich nicht im Turm, sondern in einem eigenen Glockenhaus auf der Wiese davor.

Die strahlend weisse Hochzeitskirche wirkt sinnbildlich wie das Dorf. Umarmt vom waldigen Bucheggberg blickt sie über das Limpachtal, wie es Balm bei Messen im grösseren Massstab gleichtut.
–Ursprünglich publiziert in der Solothurner Zeitung vom 12. Oktober 2022.

