Auf dünnem Eis: Vor 60 Jahren war der Hallwilersee komplett zugefroren – und ein Lastwagen versank im eisigen Wasser
Der Winter 1962/1963 war in Europa einer der härtesten des 20. Jahrhunderts. Grosse Seen in der Schweiz waren komplett zugefroren. Was zunächst viele Besucher anzog, endete in einem Unglück: Zwei junge Männer ertranken im Eiswasser.

Mit Schlittschuhen oder gar mit Fahrzeugen über den Hallwilersee zu fahren, scheint in diesem Winter sehr unwahrscheinlich. Ganz anders sah die Situation im Winter 1962 und 1963 aus. Für Europa war es einer der kältesten Winter des 20. Jahrhunderts.
In der Schweiz wurden insgesamt fast 600 Kältegrade gemessen. Das heisst: Es war zwischen 1. November und 31. März fast 60 Tage lang im Schnitt minus 10 Grad kalt. Der Bodensee und Zürichsee waren komplett zugefroren.
Auch der Hallwilersee fror in der Nacht auf den 14. Januar 1963 komplett zu. Tausende Besucher stürmten daraufhin während dieser «Seegfrörni» aufs Eis. Doch bald wurde klar, die Eisschicht hält nicht alles aus.
In dieser Woche hätten es Vereinzelte gewagt, mit den Schlittschuhen von Birrwil zum «Delphin» zu fahren oder den gefrorenen See zwischen Beinwil und der «Seerose» zu überqueren.
Die Eisschicht hält nicht alles aus
Am späten Abend des 28. Januar 1963, als die «Seegfrörni» bereits zwei Wochen andauerte, fuhren zwei Mitarbeiter eines Villmerger Bau- und Transportgeschäfts mit einem Lastwagen auf die vereiste Seefläche. Dabei kam es zum Unglück. Die Eisdecke hielt dem rund neun Tonnen schweren Henschel HS 140 AK nicht stand.
Wie es zum Unglück gekommen war, erklärte Adolf Hegglin 2013 gegenüber dieser Zeitung. Die beiden Männer waren bei seinem Vater angestellt, welcher ihm die Geschichte übermittelte. Aufgrund der Kälte konnte auf den Baustellen nicht gearbeitet werden. Deshalb seien die beiden zunächst durch die Beizen gezogen. Danach hätten sie den See mit einem kleinen Jeep überquert. Am Abend hätten sie dann den Lastwagen geholt und wollten mit ihm den gleichen Versuch wagen, erklärte Hegglin.
Der 24-Jährige und der 33-Jährige ertranken. Die Leichen wurden am Tag darauf von Tauchern der Seepolizei Zürich geborgen. Hegglin selber habe von dem Unfall noch nichts mitbekommen, da er gerade einmal drei Jahre alt war – genau gleich alt wie der Henschel HS 140 AK.
Die «Forelle» als Kultfahrzeug
Der Lastwagen, der damals etwa den Gegenwert eines Einfamilienhauses verkörperte, wurde sofort geborgen. Nach kleinen Reparaturen war das Gefährt noch zwei Dutzend Jahre bei der Firma von Hegglins Vater im Einsatz.
In Villmergen bekam der Lastwagen Spitznamen, wie «Forelle», «Taucher» oder «U-Boot», erzählte Hegglin. Auch er selber sei noch ein paar Jahre mit der Forelle gefahren. Doch 2013 stand der Lastwagen in einem Schuppen in Villmergen.

Hegglin wollte ihn zwar renovieren und besorgte dazu ein baugleiches Modell zum Ausschlachten. Als sich aber herausstellte, dass der zweite Lastwagen viel besser in Schuss war als die «Forelle», entschied er sich diesen zu renovieren.
Damals witzelte Hegglin, dass der Lastwagen vielleicht beim 60-jährigen Jubiläum der Seegfrörni wieder laufen würde. Ob dies wirklich der Fall ist, konnte nicht überprüft werden. Hegglin war telefonisch nicht erreichbar.
-Ursprünglich publiziert in der Aargauer Zeitung vom 28. Januar 2023.










