Greenpeace schwärzt AKW Beznau an – doch dieses könnte aus anderen Gründen bald abgeschaltet werden
Die steigenden Temperaturen der Aargauer Gewässer setzen das älteste Atomkraftwerk der Schweiz unter Druck. Letzte Woche musste das Kernkraftwerk Beznau seine Leistung zeitweise reduzieren. Umweltverbände fordern die Abschaltung.

Die Temperatur der Aargauer Gewässer steigt. Vor dem Jahr 2000 hat die Aare die Temperatur von 25 Grad gerade einmal zwei Mal überschritten. In den vergangenen 20 Jahren geschah dies in sieben Sommern. Zuletzt hat die Aare am Dienstag, 11. Juli, die 25-Grad-Marke geknackt. Das bedeutet nicht nur schlechte Nachrichten für wärmesensible Fische wie Forellen und Äschen, sondern auch für das älteste Atomkraftwerk in der Schweiz.
«Es trifft zu, dass das Kernkraftwerk Beznau seine Leistung am Dienstag zeitweise reduziert hat», sagt der Mediensprecher der Axpo Noël Graber auf Anfrage. Diese Leistungsreduktion sei ein Routineprozess, während der heissen Sommermonate. Tatsächlich musste der Betreiber des Kernkraftwerkes, die Axpo Power AG in den vergangenen Jahren immer wieder die Leistung reduzieren. Denn das AKW hat keinen Kühlturm, sondern leitet das Kühlwasser – bei Volllast rund 40’000 Liter pro Sekunde – in die Aare.
Seit 2019 greift eine Verordnung des Bundes, die es dem AKW vorschreibt die Leistung um maximal 50 Prozent zu reduzieren, wenn die Temperatur der Aare nach der Einleitung des Kühlwassers 25 Grad übersteigt. Wird diese Marke doch an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten, muss das AKW abgeschaltet werden. Dies, um eine weitere Erwärmung der Aare und damit die Gefährdung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu vermeiden.
Ausnahmebewilligung wurde 2019 aufgehoben
Grundsätzlich galt diese Regel schon seit 1999 für alle Unternehmen, die Kühlwasser in Flüsse einleiten – dem AKW Beznau wurde aber eine Ausnahmebewilligung erteilt. Das AKW reichte aber 2017 ein Gesuch für eine neue Einleitungsbewilligung ein. 2019 startete das Bundesamt für Energie das Verfahren dazu und in einer Verfügung des Bundes wurden dem AKW vorsorgliche Massnahmen auferlegt. Dadurch wurde die Ausnahmebewilligung aufgehoben.
Vergangenen Sommer kam das AKW Beznau noch mit einem blauen Auge davon. Zwar musste das Kraftwerk die Leistung drosseln, zur Abschaltung kam es aber nicht. Dies obwohl die Bedingungen erfüllt waren. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) erlaubte Beznau aufgrund von Bedenken für die Versorgungssicherheit weiter zu produzieren.
Dieses Vorgehen kritisieren Umweltverbände. So auch Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz. «Es muss bald zu einer Abschaltung kommen», sagt er. Die Situation für Tiere und Pflanzen sei akut. Er könne nicht verstehen warum die Elcom vergangenes Jahr die Energieversorgung über den Umweltschutz stellte. Es gebe auch aktuell keinen Grund, die Atomstromproduktion über den Umweltschutz zu stellen.
Axpo ignoriere Massnahmen des Bundes
Das AKW Beznau ist Greenpeace ein besonderer Dorn im Auge: Erst vergangenen September hat die Umweltschutzgruppe beim AKW protestiert. «Wir fordern, dass das AKW abgeschaltet wird», sagt Kasser. Die Axpo, so der Vorwurf, ignoriere die vorsorglichen Massnahmen aus der Verfügung des Bundesamtes für Energie und ziehe den Prozess der Einleitungsbewilligung absichtlich in die Länge.

Eine dieser vorsorglichen Massnahmen wäre, Revisionen der Blöcke 1 und 2 in Beznau nach Möglichkeit während der heissen Sommermonaten Juli und August durchzuführen. Dadurch soll die Aare entlastet werden. «Beim Reaktor 2 führt die Axpo die jährliche Revision meistens im August durch. Nicht aber beim Reaktor 1. Seit 2019 fanden dort die Revisionen immer im Mai oder Juni statt», kritisiert Greenpeace-Mann Kasser.
Die Axpo winkt ab: Die Revisionsabstellung des Blocks 2 finde im August statt. Im Mai habe ein Brennelementwechsel des Blocks 1 stattgefunden, so der Mediensprecher. «Zwischen den beiden Revisionen der Blöcke braucht es etwas Zeit (sechs bis acht Wochen) für Abschlussarbeiten, Vorbereitungsarbeiten und Erholung fürs Eigen- und Fremdpersonal.»
Verfahren werde in die Länge gezogen
Auch kritisiert Greenpeace, dass die Axpo sowie das Bundesamt für Energie (BFE) das Verfahren zur Einleitungsbewilligung in die Länge ziehe. Das Gesuch dafür wurde bereits 2016 eingereicht. Doch bis heute habe die Axpo nicht die nötigen Unterlagen eingereicht, die in der Zwischenverfügung verlangt werden.
Dies bestätigt auch das BFE auf Anfrage: «Die Axpo Power AG wurde unter anderem verpflichtet, dem Bundesamt für Energie sobald wie möglich Unterlagen einzureichen, damit das Verfahren durchgeführt werden kann», so die Medienstelle des Bundesamtes. Einen Teil der Unterlagen habe die Axpo bereits eingereicht. Die restlichen Unterlagen werde die Axpo dem BFE voraussichtlich kommenden Herbst zukommen lassen.
Die Axpo betont, dass sie sich an den Zeitplan halte: Mit der Zwischenverfügung habe das Bundesamt für Energie umfassende Informationen rund um die Kühlwassereinleitung gefordert. Für die dafür nötigen Untersuchungen und die Erstellung der Berichte sei ein Terminplan mit dem BFE vereinbart worden. Der Mediensprecher sagt: «Die Auflagen der seit Sommer 2019 geltenden Zwischenverfügung schränkt die bisher gültige Einleitbewilligung signifikant ein. Axpo hätte also nichts davon, das Verfahren zu verzögern.»
Abschaltung in diesem Jahr möglich
Greenpeace rechnet jedenfalls nicht mit dem Abschluss des Verfahrens in diesem Jahr. Schliesslich müssen die Dokumente anschliessend noch geprüft werden und viele verschiedene Ämter sowie der Kanton Aargau müssen die Bewilligung absegnen. Doch Umweltschützer Kasser kann sich gut vorstellen, dass das AKW in diesem Sommer wegen der Wassertemperatur abgeschaltet werde.
Bei der Axpo ist man zurückhaltender mit der Einschätzung: «Wir gehen davon aus, dass während der heissen Tage des Sommers weitere Leistungsreduktionen nötig sein werden. Ob es zu einer temporären Abschaltung kommt, können wir nicht voraussagen.»
Keine Einwände dazu in diesem Jahr hat hingegen die Elcom: Sie beurteile die Situation der Stromversorgung dahin gehend, dass nichts gegen eine allfällige Leistungsreduktion oder Abschaltung des AKW spreche, schreibt die Mediensprecherin auf Anfrage.
-Ursprünglich publiziert in der Aargauer Zeitung vom 17. Juli 2023.


