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Selbstversuch im ersten Online-Casino der Schweiz: Wieso trotz Gewinn kein Geld ausgezahlt wird

Seit der Lancierung von «Jackpots.ch» durch die Stadtcasino Baden Gruppe ist Glücksspiel nun jederzeit und überall möglich. Dadurch steigt auch die Gefahr von Glücksspielsucht. Ein Selbstversuch soll zeigen, wie gross das Risiko wirklich ist.

Bild: Keystone

Sich einmal wie James Bond in Casino Royal fühlen und beim grossen Pokerturnier den Jackpot gewinnen. Das geht seit 2019 in der Schweiz auch in Jogginghosen vom Sofa aus. Damals hat die Stadtcasino Baden Gruppe ihre Onlineplattform Jackpots.ch lanciert. Heute sind nebst dem Aargauer Vorreiter neun weitere Online-Glücksspiel-Anbieter in der Schweiz tätig.

Glücksspiel ist heute deutlich unmittelbarer. Dadurch steigt auch die Gefahr der Sucht. Hans Jürg Neuenschwander von Suchthilfe ags rechnet mit etwa 16’000 Personen im Aargau mit einem exzessiven Spielverhalten. Wie gefährlich Glücksspiele und wie hoch die Gewinnchancen wirklich sind, möchte ich als Neuling am eigenen Leib erfahren. Um das herauszufinden, habe ich mich mit 50 Franken bei Jackpots.ch angemeldet.

Konto ist schnell erstellt

Die Registrierung ist simpel und schnell gemacht. Zuerst Spielername, E-Mail-Adresse und Passwort festlegen. Danach die Personalien und den Geburtstag eingeben. Zum Schluss muss man sich im Menüpunkt «Sicheres Spielen» eine tägliche Verlustgrenze setzen. Anschliessend kann auch bereits Geld aufs Konto geladen werden. Meine Identität und auch mein Alter muss ich erst in 30 Tagen per Identitätsausweis verifizieren.

Per Twint sende ich 50 Franken an mein Profil. Untenstehend gibt es einen Button, der mehr Startkapital verspricht. «Bonus aktivieren» oder «Bonus deaktivieren» sind die Wahloptionen. Weitere Infos gibt es nicht. Ich denke mir, weiteres Spielgeld kann ja nicht schaden, ist wohl eine Promoaktion. Doch die Entscheidung für den Bonus ist ein Fehler, wie sich später herausstellt.

Screenshot: Jackpots.ch

Die Auswahl der verschiedenen Spiele ist auf den ersten Blick gewaltig. Neben klassischen Casino-Spielen wie Blackjack, Poker und Roulette gibt es Slot-Machines, aber auch Arkade-Spiele und Gameshows. Ich entscheide mich am Anfang für ein paar Runden am Automaten.

Knopf und dann Daumen drücken

Beim Spiel «Buffalo Trail» ist alles im Wildwest-Thema gestaltet. Man drückt einen Knopf, und die Walzen des digitalen Automaten drehen sich. Hat man mehrere gleiche Symbole, kriegt man einen Gewinn. Wirklich kapiert habe ich die Logik nicht. Auf einmal leuchten Linien über den Walzen auf, und man gewinnt einen Geldpreis, meistens kaum höher als der Spieleinsatz. Doch die Anwendung ist simpel: Knopf und dann Daumen drücken. Die Maschine sagt einem dann, ob man gewonnen hat.

Screenshot: Jackpots.ch

Ich denke mir, bei 3 Franken Verlust gehe ich raus. Als ich mich meiner Verlustgrenze nähere, schwenke ich um: Ich gehe bei minus 4 Franken. Tatsächlich gewinne ich unter der 3-Franken-Grenze öfter und lande wieder bei einem Franken Verlust. Ich beende das Spiel.

Die Verlustgrenze zu verschieben, ist sehr riskant. Auch das Online-Casino rät davon ab. Auf der Website sind Ratschläge für sicheres Spielen zu finden. Dort heisst es: «Setze dir ehrliche und sinnvolle Einzahlungs- und Verlustlimiten.» Diese sollten auch konsequent eingehalten werden, um nicht in eine Abwärtsspirale zu rutschen.

Spielsystem kann nicht überlistet werden

Beim Roulette erhoffe ich mir einen live moderierten Tisch zu finden und klicke deshalb auf Roulette mit Rachael. Rachael ist eine attraktive Frau in einem roten Abendkleid. Doch es handelt sich nur um ein Video. Die Kugel wird von einem Zufallsgenerator gedreht, während Rachel auf Englisch gut zuspricht und immer wieder die gleichen Sätze wiederholt. Ich spiele ein paar Runden. Setze kleine Einsätze auf Farben.

Screenshot: Jackpots.ch

Da die letzten Zahlen alle rot waren, sollte doch jetzt langsam eine schwarze kommen. Ein gefährlicher Trugschluss. Nur weil eine Farbe lange nicht gekommen ist, heisst das nicht, dass sie nächstens kommt. Denn die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist knallhart: Bei jeder Runde gelten die gleichen Bedingungen und gleiche Wahrscheinlichkeiten für jede Zahl. Jackpots.ch schreibt dazu: «Das Glücksspiel ist abhängig vom Zufall und nicht von Geschicklichkeit. Glaube daher nicht, dass du das Spielsystem überlisten kannst.»

Ich suche weiter nach einem «echten» Menschen. Bei «Lightning Roulette» werde ich fündig. Hier wird von 8 Uhr morgens bis Mitternacht live moderiert. Als ich mich zuschalte, diskutiert der Moderator Stefan gerade mit zwei Spielern, die im Chat schreiben, ob nun Bern oder Zürich die bessere Stadt ist.

Screenshot: Jackpots.ch

Als ich zum ersten Mal gewinne, gratuliert er mir und nennt meinen Spielernamen. Stefan redet am fliessenden Band, interagiert freundschaftlich mit den Spielern, dreht die Kugel und gibt die Gewinnzahlen bekannt. Hier mache ich tatsächlich Gewinn und verlasse die Runde mit rund 150 Franken auf meinem Spielerkonto.

Sozialkonzept regelt maximale Verluste

Beim Blackjack treffe ich erneut auf Rachael. Diesmal trägt sie ein schwarzes Kleid. Doch wieder teilt ein Zufallsgenerator die Karten aus, während Rachel ihre Sätze vorträgt. Ich spiele mit Einsätzen von 25 Rappen. Da erschrecke ich über den maximalen Einsatz an diesem Tisch: Er liegt bei 54’500 Franken pro Spiel. Ich frage mich, wer so viel Geld ausgeben kann und gleichzeitig, wie unglaublich es wäre, so viel zu gewinnen.

Screenshot: Jackpots.ch

Um die Spielerinnen und Spieler vor Spielsucht zu schützen, muss das Grand Casino Baden sowie Jackpots.ch gemäss Geldspielverordnung ein Sozialkonzept vorweisen. Darin wird pro Gast und Casinobesuch von einem theoretischen Verlust von 200 Franken ausgegangen. Sollte diese Grenze von einer Besucherin oder einem Besucher zehn Mal erreicht werden, wird dieser von Mitarbeitenden angesprochen und zu Spielsucht sensibilisiert. Im Online-Casino werde automatisch ein Pop-up bei der gleichen Grenze geöffnet, heisst es auf der Website der Stadtcasino Baden Gruppe.

Nach 50 Besuchen, also einem Verlust von insgesamt 10’000 Franken werde eine Bonitätsprüfung vorgenommen, heisst es weiter. Danach wäre auch eine Sperre möglich. Doch davon bin ich noch weit entfernt, denke ich mir. Als das Spiel einfriert und Rachel regungslos bleibt, gehe ich weiter zu den Gameshows.

Keine höheren Risiken eingehen

Hier ist die Welt eine andere: Das edle und klassische Ambiente eines Casinos ist verschwunden. Beim Spiel «Funky Time» reist man in die 1970er. Im Hintergrund läuft Discomusik, alles leuchtet und ist farbig. In der Bildschirmmitte steht ein grosses Glücksrad. Eine farbig angezogene Moderatorin spricht auf Englisch nonstop. Denn das Spiel wird von einem internationalen Anbieter gleich für mehrere Online-Casinos übertragen. Auch sie interagiert mit den Spielenden und dreht dazu das riesige Rad.

Screenshot: Jackpots.ch

Die Spielerinnen und Spieler setzen auf Buchstaben, Boni oder auf die Eins. Wenn ein Buchstabe gewinnt, gibt es einen Geldbetrag. Bei Boni werden weitere Minispiele gestartet, bei denen die Einsätze vervielfacht werden.

Hier habe ich ein glückliches Händchen. Mehrmals wird mein Buchstabe gezogen. Wenn dazu noch ein Multiplikator auf dem Feld ist, werden aus meinen 50 Rappen schnell 50 Franken. Ich spiele mit dem Gedanken, meine Einsätze zu erhöhen, doch erinnere mich an die Ratschläge auf Jackpots.ch: «Gehe keine höheren Risiken ein, um frühere Verluste auszugleichen. Dadurch wird der Verlust nur noch grösser.» Auch wenn es bereits schwerfällt, entscheide ich mich, mein Glück nicht weiter auf die Probe zu stellen und beende mein Experiment.

Die Ernüchterung kommt am Schluss

Die Gefahren des Glücksspiels sollte man nicht vernachlässigen. Ich erlebte Momente, in denen ich die Ratschläge zum sicheren Spielen vernachlässigt habe, und es fiel mir schwer, aufzuhören. Aber ich hatte durchweg Spass und auch dank vorsichtigem Spielen eine gute Bilanz. Aus meinen 50 Franken beziehungsweise 100 Franken mit Boni hatte ich am Ende etwas über 300 Franken auf meinem Spielerkonto. Es wird wohl nicht bei diesem «Besuch» bleiben.

Doch als ich mir den Gewinn auszahlen lassen wollte, kommt die Ernüchterung. Mein Echtgeldkonto ist leer. Meine Gewinne befinden sich auf dem Bonuskonto. Nach einer kurzen Suche bei den FAQ finde ich den Grund heraus. Zum Thema Auszahlungen heisst es dort: «Sofern ein Bonusguthaben vorhanden ist, musst du dieses jedoch vorgängig stornieren oder die Umsatzbedingungen des jeweiligen Bonus erfüllen. Bei der Stornierung des Bonus verfällt der Anspruch auf das Bonusguthaben.»

Ich kann mir also das Geld auszahlen lassen, wenn ich die Umsatzbedingungen erfülle. «Sofern nicht anders angegeben, betragen diese bei Spielautomaten 30-mal und bei Tischspielen 300-mal», heisst es auf der Website. Das heisst, die Promoaktion ist geglückt: Um den Gewinn abzuheben, muss ich nichts weiter unternehmen, als weiterzuspielen.


-Ursprünglich publiziert in der Aargauer Zeitung vom 23. August 2023.

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